Sonntag, 30. Dezember 2012

Aufarbeitung



Im Frühjahr 2011 meldeten wir L., der damals drei wurde, zum Kindergarten an. In Absprache mit der zuständigen Mitarbeiterin des LuZIE (Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen) und mit den Erzieherinnen des Kindergartens entschieden wir uns für einen Regelkindergarten, bei Bedarf mit zusätzlicher Integrationshilfe.
Mit dem Beginn des Kindergartenjahres 2011/2012 hatte L. dort seinen Platz. In Kleinstschritten und -zeiteinheiten "übten" wir ab September 2011, dass L. sich von uns lösen konnte, was anfänglich für kurze Zeiten gelang. Er war damals dreieinhalb Jahre alt.

Am 13.10.2011 wurde per Gerichtsverhandlung entschieden, dass L. ab sofort samstags um 14 Uhr bei uns abgeholt, zu seinen leiblichen Eltern gebracht und um 18 Uhr wieder zu uns zurückgebracht würde. L. war bis dahin noch nie ohne uns irgendwo gewesen. Ob das dem Richter damals klar war, weiß ich nicht. Jedenfalls wussten es die Damen beim Jugendamt, die auch der Gerichtsverhandlung beigewohnt hatten. Bei allen Umgängen davor war immer jemand von uns, seiner sozialen Familie, dabei, da L. es anders überhaupt nicht tolerierte.

Innerhalb von zwei Tagen, vom 13. auf 15.10.2011, sollten wir einem dreieinhalbjährigen, entwicklungsverzögerten Kind klar machen, dass er an einem ihm völlig fremden Ort einen Besuch machen würde; zwar seine Herkunftsfamilie, von der ihm bis dahin jedoch lediglich die leibliche Mutter bekannt, jedoch nicht vertraut war.
"Warum fährst du nicht mit?", fragte er mich.
Er wurde von seiner leiblichen Mutter und dem damaligen Familienhelfer mit dessen Auto abgeholt, weinend, schreiend, gegen seinen Willen. Mein Angebot, L. zu begleiten, wurde abgelehnt.
Sie brachten ihn früher zurück, als vereinbart, da er die ganze Zeit nur geweint hatte.
Dennoch wurde für den folgenden Samstag der Plan beibehalten.
L. schrie diesmal noch mehr, da er ja jetzt verstanden hatte, worum es ging.
Er klammerte an meinem Hals und war eine Stunde lang  nicht bereit, seine leibliche Mutter überhaupt nur anzusehen. Der Familienhelfer lehnte es ab, ein dermaßen weinendes Kind mitzunehmen. So fuhren wir gemeinsam in die nächste Stadt (Neustadt/W.), Spielplatz, Café etc.

Künftig fanden dann die Umgangskontakte wieder in den Räumen des LuZIE statt, und da der Richter von 14 bis 18 Uhr gesagt hatte (worin die Fahrtzeiten von je ca. 45 Minuten mitbedacht gewesen waren), musste L. sich dort jeden Donnerstag von 14 bis 18 Uhr aufhalten, ob er wollte oder nicht. Wir brachten ihn hin, warteten in einem Nebenzimmer auf ihn und nahmen ihn um 18 Uhr wieder mit nach Hause; knapp sechs Stunden von Tür zu Tür, jeden Donnerstag.

Aufgrund dieser traumatisierenden Erlebnisse war an Kindergartenbesuch in 2011 nicht mehr zu denken. L. brauchte Wochen, bis er wieder offener auf Menschen und Situationen zugehen konnte, bis er nicht mehr erschrak, wenn jemand unser Haus betrat. Verständlicherweise konnte der Kindergartenplatz nicht ein ganzes Jahr freigehalten werden, sodass  L. erst im August 2012 wieder einen Platz hatte. Diesen ergriff er dann mit Freude und Sicherheit in kurzer Zeit und fand sich gut in der Regelgruppe zurecht.

In der Woche vom 22.10.2012 war Luca krank und daher vom Kindergartenbesuch abgemeldet.

Am 25.10.2012 wurde er abrupt und unangekündigt vor unserer Haustür abgeholt durch zwei Damen des Jugendamts und nicht zurückgebracht.



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